Der Aufbau der Aquaponik-Gewächshäuser auf der Kokerei Hansa war von Anfang an eine Herausforderung. Die Altlasten auf dem Gelände führten zu starken Anpassungen im Planungsprozess und einem komplizierten Bauantrags-Prozess. Sowohl die durch die Corona-Pandemie gestörte Versorgungslage, was Materialien angeht, als auch Corona selbst hat uns dabei leider so strapaziert, dass wir zwar voran kamen, uns aber die Zeit fehlte, in Blogbeiträgen darüber zu berichten. Über den Aufbau der Gewächshaushüllen haben wir hier berichtet. Nun also endlich ein Überblick darüber, was in der Zwischenzeit bis zu Eröffnung am 16.06.2023 passiert ist.

 

 

 

 

 

Begonnen haben wir mit dem Aufbau der Tiefwasser-Kultur-Beete oder auch ‚Deep Water Culture‘ Beete (DWC) genannt. Für dessen Konstruktion hatten wir ein paar unterschiedliche Ideen, die wir in unseren Treffen mehrfach diskutiert haben, ohne uns auf eine Bauart einigen zu können. Zu viele unbekannte Variablen erschwerten die Entscheidung, so dass beschlossen wurde, in Soest Prototypen zu bauen, um herauszufinden, welche Bauart für unser System die beste ist. Am Ende fiel die Wahl auf L-Steine aus Beton, die mit Folie ausgelegt werden. Wir haben die Beete in der Mitte mit Dämmplatten unterfüttert, so dass die Folie dort nicht durchhängt. Für den Prototyp hatten wir eine 1mm dicke Folie aus Polypropylen ausgewählt. Das PP-Material lässt sich gut primärrecyclen und in der Versuchsanlage auf dem Campus der FH Soest hatten wir eher durchwachsene Erfahrungen mit klassischer EPDM-Folie gemacht.

 

 

 

 

 

Beim Prototypen fiel auf, dass die Folie relativ steif, und somit in den Ecken schlecht zu falten war. Wir haben deshalb für die Beete eine dünnere Folie gewählt, was sich schlussendlich aber als nicht optimal herausstellte. In der Hitze des Sommers war die dünnere Folie sehr empfindlich, so dass sich trotz eines unter die Folie gelegten Vließ zahlreiche kleinere Löcher gebildet hatten. Die Beete waren somit größtenteils undicht geworden und mussten repariert werden. Leider stellte sich das Reparieren als Sisyphusarbeit heraus. Das Team hat dann kurzerhand entschieden die undichten Beete doch mit EPDM-Folie auszukleiden. Dieses Material verhält sich eher wie Gummi und ist für diesen Anwendungsfall sehr viel besser zu verarbeiten. Die selbe Folie wurde dann auch gewählt, um die Substratbeete auszukleiden.

 

  

Neben den DWC Beeten haben wir auch Ebbe und Flut Beete aus einer Stahlkonstruktion entworfen. Auch dafür wurden Prototypen gebaut und die beste Konstruktionsweise erforscht. Trotz des Prototypings wurden beim tatsächlichen Bau der Beete aber immer wieder Kleinigkeiten entdeckt, die man noch besser machen konnte. Unklarheit herrschte zunächst darüber, aus welchem Material der Tragboden konstruiert sein sollte, auf dem die Folie ruht. Hier hatten wir zunächst über Siebdruckplatten nachgedacht, die aber leider sehr teuer sind. Andere Holzmaterialien wollten wir wegen der zu erwartenden Staunässe nicht verwenden. Nichts sollte verrotten können, diese Erfahrung hatten wir vor Jahren schon im Aquaponiksystem der Urbanisten gemacht. Wir kamen dann irgendwann auf die Idee, Konstruktionsplatten zu nehmen wie sie auch beim Bau von Badezimmern verwendet werden. Diese bestehen aus einem Schaumkern aus expandiertem Polystyrol (XPS), beidseitig laminiert mit einem Gewebe, das in einer sehr dünnen Betonschicht eingelassen ist. Diese Paneele sind sehr leicht, aber gleichzeitig sehr tragfähig und verwindungssteif. Unter diese Platten haben wir dann noch die Reste der Bodenfolie als Spritzschutz untergebracht.

  

Als Substrat verwenden wir in diesem System weißen Rundkies. Der ist kostengünstiger als der sonst gern verwendete Blähton, und es lässt sich damit auch einfacher arbeiten, wenn man mal an den Siphon muss, um Wurzeln zu entfernen. Üblicherweise steht das Wasser dann im Beet und fließt nicht ab, und der Blähton schwimmt dann auf, so dass man nicht wirklich gut arbeiten kann. Das passiert mit dem Kies nicht, der wegen der höheren Dichte nicht aufschwimmt. Die Siphons haben wir vormontiert gekauft, weil das kostengünstiger war, als sie aus Einzelteilen selbst zu konstruieren. Beim Einbau musste etwas kreativ vorgegangen werden, weil die Konstruktionsplatten vergleichsweise weich sind. Ein Plättchen aus Kunststoff eignete sich aber letztendlich wunderbar, um die Siphons stabil in das Weiche Material zu montieren.

  

Die Aquakulturanlage wurde vom Projektpartner Aquaponik Manufaktur GmbH in enger Abstimmung mit uns entworfen und dimensioniert. Die speziell für diese Anlage gefertigten Behälter wurden von einer externen Kuststoffirma geliefert. Die Anlage ist für geringe Besatzdichten mit Friedfischen wie Karpfen oder Schleien ausgelegt. Eine Haltungsgenehmigung für Fische haben wir aktuell noch nicht, diese wird zeitnah beantragt. Wir wollen die Anlage zunächst ohne Fische in Betrieb nehmen, und durch eine Simulation von Fischen nachweisen, dass die Anlage zur Fischhaltung geeignet ist. Dafür werden wir geeignete Substanzen ins Wasser bringen, die den Ausscheidungen der Fische entsprechen. Das Konstruktionsprinzip der Tanks folgt dem „Cornell dual drain“ Ansatz, bei dem ein ’solid lifting overflow‘ (SLO) absinkende Feststoffe vom Boden saugt und ein Skimmer die Wasseroberfläche von schwimmenden Verunreinigungen reinigt. Die Feststoffe werden in einem ‚radial flow separator‘ (RFS vorne im Bild) absedimentiert. Von dort aus fließt das Prozesswasser zum Biofilter, der als ‚moving bed bio reactor‘ (MBBR) ausgelegt ist. Aus dem MBBR wird das Wasser über einen offenen Trog, ein sogenanntes ‚open gutter‘ zurück zu den Fischtanks gepumpt. Das OG hat den Vorteil, dass man den Durchfluss in einem Tank veränern kann, ohne gleichzeitig die Durchflüsse der anderen Tanks zu ändern. Die abgetrennten Feststoffe werden in einem Remineralisierungstank aerob, also mit Hilfe von Belüftung, bakteriell verarbeitet mit dem Ziel, die im Schlamm vorhandenen Nährstoffe zurückzugewinnen und sie so den Pflanzen zuführen zu können.

 

Das Wasser für das System fangen wir vom Dach ab und speichern es in Tanks. Von dort aus wird Regenwasser bei Bedarf über Pumpen in die Aquakultur geleitet.

  

Um sich in der Anlage im späteren Betrieb besser bewegen zu können haben wir zum Abschluss noch einen Holzboden verlegt. Dies war insbesondere auch aufgrund der auf dem Boden verlegten Folie sinnvoll, um diese zu schützen. Ein paar Dinge wie beispielsweise eine Verschattung der Aquakultur oder eine Isolationsschicht zur energetischen optimierung werden in den kommenden Woche noch folgen. Zudem planen wir in den folgenden Jahren umfangreiche Mess- und Analysetechnik in das System zu integrieren. Es bleibt also weiterhin spannend!